Rollentausch als Augenöffner – mal drei

Feb 28, 2022Bücher und Kunst0 comments

Unlängst habe ich mir auf Netflix „Kein Mann für leichte Stunden“ angeschaut – natürlich aus rein beruflichem Interesse 😉 Es geht nämlich um einen Chauvinisten und Frauenhelden, der sich nach einem Unfall in einer verkehrten Welt wiederfindet. In einer Welt, in der die Frauen das Sagen haben und die traditionellen Rollen eins zu eins vertauscht sind, sprich: Die Frauen das „starke Geschlecht“ sind mit allem, was dazugehört (von Geld verdienen bis sexuell übergriffig sein) und Männer als das „schwache Geschlecht“ für Familie, Haushalt und Care Arbeit zuständig sind. Das gefällt unserem kleinen Chauvinisten natürlich gar nicht aber Gott sei Dank geht die Geschichte gut für ihn aus und die „ordentlichen“ Verhältnisse sind am Schluss wiederhergestellt.

Idee: gut, Umsetzung: naja…

Prinzipiell finde ich Rollentausche sehr geeignet, um Verständnis für die jeweilige andere Position zu bekommen oder sich in die Situation einer anderen Person hineinzuversetzen. Deswegen werden ja auch in Diversity-Seminaren und Anit-Bias-Trainings gern Rollenspiele oder Praxissimulationen gemacht – zum Beispiel „Privilege walks“ oder Übungen wie „Ein Schritt nach vorn“, wo man die Lebensrealitäten von verschiedenen Gruppen und die Ungleichverhältnisse in der Gesellschaft erfährt und reflektiert.

Vor diesem Hintergrund ist der Film ausgesprochen seicht geblieben. Er führt zwar detailgetreu und schonungslos vor Augen, wie Mann diskriminiert wird und wie selbstverständlich Frau ihre dominante Stellung ausnützt und auslebt. Aber das war’s dann auch schon. Neu ist diese Idee auch nicht – ich hatte massiv das Gefühl, dass sich Regisseurin Éléonore Pourriat von einem Buch aus den 70er Jahren inspirieren ließ:

Die Töchter Egalias von Gerd Brantenberg

Die norwegische Autorin Gerd Brantenberg hat 1977 ihren Roman über das Land Egalia geschrieben, in dem die Geschlechterrollen ebenso verkehrt und Frauen in der Hierarchie ganz oben sind. Anhand einer Familie bestehend aus Mutter, Vater, Tochter und Sohn schildert sie die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche wie Arbeitswelt, Politik, Bildung, öffentliches Leben, Freizeit, Feste und Traditionen und vieles mehr . Bis ins kleinste Detail werden die sozialen Zwänge, denen (heranwachsende) Männer ausgesetzt sind, beschrieben – und als natürlich und gottgegeben angesehen. Da nützt es auch nichts, dass sich der Sohn der Familie mit einer Handvoll Freunden gegen das Matriarchat organisiert – am Ende landet er doch in einer Beziehung, wo er genauso abhängig und ausgeliefert ist wie sein Vater.

Dieses Buch habe ich sensationell gefunden, da es absolut akribisch und scharfsinnig die Mechanismen aufzeigt, mit denen (in der realen Welt) Frauen ihren Platz in einer männerdominierten Gesellschaft zugewiesen bekommen – und seien es so kleine Details, dass Burschen ab einem gewissen Alter einen PH (Penis Holder) tragen müssen oder sie diejenigen sind, die eine Choreografie für den Abschlussball einstudieren müssen, um die weiblichen Kolleginnen zu erfreuen. Erstaunt hat mich, dass ich teilweise gar nicht fähig war, Empathie für den armen jungen Mann zu verspüren, sondern mir mit einer gewissen Schadenfreude gedacht habe: Siehst du, jetzt weißt du, wie das ist!

Gaston Florin und Jacqueline d’Arc

Einen viel charmanteren, aber trotzdem zum Nachdenken anregenden Rollentausch vollführt der deutsche „Perspektiven-Magier“ Gaston Florin, den ich letztes Jahr bei einer Veranstaltung live erleben durfte. Sein „alter Ego“ ist nämlich Jacqueline d’Arc, in die er sich im Rahmen seiner Bühnenshow verwandelt. Und plötzlich wird aus dem selbstbewussten, männlichen Checker eine Dame mit französischem Witz und Esprit, die „Expertin in Sachen menschliches Dominanzverhalten und der Begegnung mit dem Neuen“ ist. Und der man es ab- und nicht krumm nimmt, wenn sie Männern den Spiegel vorhält und erzählt, wie es ihr als Frau geht. Auf mich wirkte sie sehr authentisch und meine Empathie war zu 100 Prozent bei ihr!

In diesem Sinne: Viel Spaß beim nächsten Rollentausch – sei es im Film, im Buch oder live!

 

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