Na sauber… der Clean Girls Look

Apr. 3, 2024Kommentare

Sauberkeit schön und gut. Aber wenn ich wo eingeladen bin, wo es blitzeblank steril ist und nichts herumsteht, dann frage ich mich manchmal: Wohnt hier eigentlich jemand? Hat hier wirklich jedes Teil seinen ganz bestimmten Platz? Beneidenswert! Und dann plagt mich das schlechte Gewissen, weil ich diese Perfektion nie erreichen werde…

Umso erstaunter war ich, dass es auch in der Kosmetik einen „Clean Look“ gibt, der als Inbegriff der natürlichen Schönheit gilt. Was ihn auszeichnet? Makellos strahlender Teint, frisches und gepflegtes Aussehen, dezenter Goldschmuck, minimalistisches Make-Up und zeitlos-elegante Naturfaser-Kleidung, vorrangig in Erdtönen oder weiß.

Absurd nur, dass es zum Erreichen dieses scheinbar natürlichen Looks und der ebenmäßigen Haut teure Pflegeprodukte und aufwändige Schmink-Schritte benötigt: kaum sichtbares Make-Up, dezente Betonung der Augen und Augenbrauen, zarte Hervorhebung der Lippen mit Kontur und Gloss, und natürlich müssen auch die Haare glänzen und geschmeidig wirken. Soziale Medien und Tik Tok gehen über mit Tutorials, wie man es mit viel Aufwand schafft, wie die Reichen und Schönen mit ihrer edlen Lässigkeit auszusehen. Interessiert? Dann einfach mal nach #cleangirlaesthetic suchen. Mit dem Aussehen nicht genug, gehören übrigens auch ein frischer Duft, ein gesunder und stressfreier Lebensstil sowie ein stets aufgeräumtes Zuhause dazu.

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Ist also jede, die nicht dem „clean“ Look entspricht, schmutzig? Ist es ein Schönheitsideal, das suggeriert, dass Frauen „rein“ und „perfekt“ sein sollen? Ein exklusives Eliteprogramm für die weiße, wohlhabende, attraktive, makellose Frau, das viele Menschen ausschließt? Eine eurozentristische Ästhetik, die auf die problematische historische Beziehung von sozialer Klasse, Herkunft und Hygiene Bezug nimmt und rassistische Untertöne hat? Auch dazu gibt es spannende Beiträge und auch schon universitäre Forschungen im Internet zu finden.

Und als ich mich mehr und mehr in den umstrittenen Clean Look vertiefe, stoße ich auf die beruhigende Entwarnung: Der Gegentrend ist nämlich schon geboren, in Form des „dramatischen Messy Make-up“, wie mir die Cosmopolitan verrät. Adieu, Minimalismus! Hello Undone-Look in dunklen Farben!

Und insgeheim bin ich froh, dass diese Schönheits-Trends spurlos an mir vorübergehen…

Dieser Text erschien als „Vielfaltskolumne“ in der Salzburger Straßenzeitung Apropos im April 2024.

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