Islamists not welcome?!

Mrz 31, 2021Neues aus der (Fach)Welt0 Kommentare

Ein Kreuzritter verjagt eine verschleierte Frau und einen bärtigen Mann, die beide bewaffnet sind. „Islamists not welcome“ steht groß darüber – und die Aufmachung erinnert frappierend an das „Refugees welcome“ Sujet. Solchen Aufklebern begegnet man immer wieder beim Spazieren in Salzburg – und sobald man sie entfernt, kleben sie ein paar Tage danach wieder. Grund genug, da mal nachzuforschen, wer dahintersteckt.

Fotografiert Anfang Jänner 2021 in Salzburg Liefering

Download von: http://antifagrafik.blogsport.eu/2013/11/10/refugees-welcome/

Quelle: Webshops der Identitären

Bestellen kann man diese Sticker problemlos bei einschlägigen Webshops, die der identitären Szene zugerechnet werden. Dort findet man auch Kleidung, Ausstattung, Fahnen, Tonträger und vieles mehr, was das rechte Herz begehrt. Die extra angeführten rechtlichen Hinweise, dass „die von uns vertriebenen Aufkleber und Plakate ausschließlich zur Verwendung an eigenem Eigentum vorgesehen sind. Das Anbringen von Aufklebern oder Plakaten an fremdem Eigentum stellt eine rechtswidrige Handlung bzw. eine Straftat (§ 303 StGB, Sachbeschädigung) dar. Wir übernehmen keine Verantwortung für widerrechtliche Verwendungen unserer Aufkleber und Plakate.“ dürften die Salzburger Kleber:innen wohl wenig beeindruckt haben. Interessant in diesem Zusammenhang: Nach den Ermittlungen und den Skandalen um die identitäre Bewegung in Österreich hat sich der hiesige Webshop aus dem Internet zurückgezogen. Auf deutschen Plattformen lässt sich’s natürlich ungehindert weiter fröhlich bestellen und nach Österreich liefern.

Sind die Identitären wirklich am Ende?

Eigentlich lag die „patriotische Jugendbewegung“ 2019 schon darnieder, als sich auch die FPÖ von ihr distanzierte und sie nicht mehr in der Öffentlichkeit auftrat. Die Website und Social Media Kanäle wirkten kaum gewartet, die von der Homepage verlinkten Videos sind alle mindestens drei Jahre alt und zum Teil gar nicht mehr abrufbar – teils, weil der dazugehörige Account gelöscht wurde, teils, weil sie gegen die Nutzungsbedingungen von youtube verstoßen. Was jedoch in voller epischer Breite unter dem Menüpunkt „Richtigstellungen“ behandelt wird, sind die vielen falschen Anschuldigungen, Medienberichte und Ermittlungen, unter denen die Identitäre Bewegung zu Unrecht zu leiden hat…

Doch dann kam Corona – und damit bekamen die rechten Ideologen wieder Aufwind. Seite an Seite mit Corona-Leugner:innen und Verschwörungserzähler:innen ziehen sie nun bei Anti-Corona Demos durch die Straßen und vor die Kameras. Wie sich das aktuelle Verbot der identitären Bewegung in Frankreich auf Österreich auswirkt, ist noch nicht bekannt – der Standard sammelte dazu im Februar 2021 Stellungnahmen der politischen Parteien.

Nachfolge-Organisation DO5 „Die Österreicher“

Auch der Identitären-Chef Martin Sellner war nicht untätig: Medien hatten schon Anfang 2020 von der neuen Organisation „Die Österreicher DO5“ berichtet, die er kurz nach den Ermittlungen um seine Person gegründet hat – samt Strategiepapier und Unterstützungspetitionen. Ein Beitrag der (inzwischen stillgelegten) Recherche-Plattform addendum berichtete über deren ersten Aktivitäten (Stichwort: Befreiung Wiens) und in einem spannenden Undercover-Aktion schildert ein Redakteur, wie leicht es war sich unter dem Decknamen Johannes zur Bewegung rekrutieren zu lassen und Einblicke in Strukturen und Vorgangsweisen zu gewinnen.

Momentan hört und liest man wenig über DO5, ein witziges Detail am Rande (bei dem ich aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit bei der Domain-Registry nic.at doppelt schmunzeln muss): DO5 hat es tatsächlich übersehen, sich ihre Domain auch mit Umlaut zu sichern – und so kommt bei Eingabe des Domainnamens die-österreicher.at doch prompt eine Weiterleitung auf stopptdierechten.at

Screenshot vom 31.3.2021

Rechtsextremes Denken einst und jetzt

Dass sich die rechte Szene durchaus – auch in theoretischer und ideologischer Hinsicht – neu formiert, hat Stefan Wally, der Geschäftsführer der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg anläßlich der Ausstellung „Der zweite Blick“ in einem Vortrag anschaulich erläutert. Den Nährboden für das Entstehen rechtsextremer politischer Theorien im 19. Jahrhundert bildeten die großen gesellschaftlichen Umbrüche dieser Epoche: Urbanisierung, Industrialisierung, Erwerbstätigkeit und Emanzipierung der Frau und die damit einhergehende Ausdifferenzierung der Gesellschaft. Man sehnte sich nach einfachen Lösungen, nach Übersichtlichkeit, nach einem Helden. Der existierende Antisemitismus tat das Übrige dazu. Als vier Kernelemente der Theorien lassen sich das Ziel einer homogenen Gesellschaft, Rassismus, Nationalismus und eine Ablehnung der Demokratie festmachen. Mit den bekannten Folgen und auch der ideologischen Defensive, in der die Rechtsradikalen nach dem zweiten Weltkrieg gerieten. Es war also ein gewisser „Twist“ in der ideologischen Argumentation nötig:

Heute: kulturelle Homogenität, Nation, Anti-Demokratie

Rassisch-religiöse Homogenität ist nicht mehr salonfähig, das mussten auch die neuen Rechten erkennen. Also berufen sich die neuen rechten Theoretiker auf eine kulturelle Homogenität und gegen den sogenannten „Bevölkerungsaustausch“. „Homogene Völker in einer pluralen Welt“ statt „Heterogene Völker in einer homogenen Welt“ lautet die Devise. Dazu passt Globalisierungskritik und Anti-Amerikanismus. Die demokratischen Eliten werden diffamiert, die demokratischen Strukturen in Frage gestellt, das „Volk“ lehnt sich gegen das „Establishment“ auf. Nach wie vor ist die „Nation“ ein Schlüsselelement, womit die Ablehnung der EU einhergeht.

Damals wie heute: Unsicherheit und Umbrüche

Diese Ideologie ist keiner eindeutigen „Szene“ mehr wie z.B. den Skinheads zuzuordnen, sie zieht sich quer durch alle Bevölkerungsgruppen und findet dank Corona auch neue Allianzen. Dann was die Covid-19 Pandemie mit sich bringt: Die Gesellschaft ist verunsichert und gespalten wie schon lange nicht mehr. Hinzu kommen die vielen unterschiedlichen Lebens- und Liebeskonzepte, die nebeneinander existieren und die viele Leute irritieren und überfordern. Wir leben in einer Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, die damals wie heute den Wunsch nach einfachen Antworten und eindeutigen Lösungen befeuern. Und die rechten Ideologen scheinen sie zu geben.

Jugendkulturen als Spiegel der Gesellschaft

Vor solchen Einflüssen sind auch die verschiedenen Jugend-Szenen nicht gefeit. Wer da ein bisschen mehr Einblick haben möchte: Die Ausstellung „Der zweite Blick“ nimmt Jugendkulturen unter die Lupe und zeigt auf, dass diese nicht frei von Diskriminierungen, sondern die Gesellschaft mit all ihrem Rassismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit oder Antisemitismus widerspiegeln. Der Ausstellungskatalog ist auf der Website von akzente Salzburg zum Download verfügbar.

Die Lösung? Umgang mit Pluralität lernen!

Wer sich seiner selbst und seiner Persönlichkeit bewusst ist, kann mit Verunsicherung besser umgehen. Wer sich selbst und andere in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptiert, kann Resilienz in verstörenden Zeiten zeigen und gegen Diskriminierungen auftreten. Wer politische Wirksamkeit erlebt, glaubt an demokratische Strukturen, Mitbestimmungsrechte und ein gemeinsames Aushandeln von Lösungen.  Wer in seinem eigenen Weg bestärkt wird, hat es nicht notwendig anderen seine Ideen aufzuzwingen. Genau deswegen finde ich Kinder- und Jugendarbeit so wichtig und bin stolz, Vorsitzende des Vereins akzente Salzburg zu sein, wo all diese Prinzipien im Vordergrund stehen. Und genau deswegen biete ich als VielfaltsAgentin professionelle Unterstützung beim Management von Diversität, Integration und Migration an.

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