Bei uns hat ja der 8. März als Tag der Frau wenig private Bedeutung. Nicht so in Russland. Dort wird jede Frau am 8. März beschenkt, verwöhnt und ausgeführt. Während meines Auslandssemesters in Moskau konnte ich diesen Feiertag mitfeiern.
Moskau, 1996
Unsere russischen Freundinnen fragen meine Studienkollegin Julia und mich, ob wir den 8. März mit ihnen feiern wollen. Wir überlegen fieberhaft… 8. März? Warum? Hat jemand Geburtstag? Ist irgendein Jubiläum? Nach und nach erfahren wir, dass der Tag der Frau in Russland wirklich etwas Besonderes und ein offizieller Feiertag ist. Fast so wie eine Kombination aus Valentins- und Muttertag. Blumen sind sowieso ein Muss für jede Frau (Achtung – nur ungerade Anzahl!) , und das eine oder andere Geschenk wie Schokolade, Parfum oder Kosmetik gehört auch zum guten Ton. Sogar den kleinen Mädchen wird schon zum Tag der Frau gratuliert! Ein potentieller Verehrer muss an diesem Tag alle Anforderungen erfüllen um ernst genommen zu werden: Parfum für die Angebetete, Blumen und Schokolade für die Mutter bzw. andere weibliche Familienmitglieder. Wenn er das nicht schafft, ist gleich schon Ende der Anhörung… Und natürlich kann man auch als Ausländerin punkten, wenn man russischen Freundinnen oder Kolleginnen an diesem Tag Glück wünscht und eine kleine Aufmerksamkeit überreicht.
Hilfe – was schenken?
Wir sind voller Vorfreude. Nichts geht über russische Feiern bei reich gedecktem Tisch, manchmal auch gemeinsamem Singen und die obligatorischen Trinksprüche voller Poesie. Was für eine Abwechslung zum Student:innenheim-Leben! Doch bald die große Frage: Was sollen wir mitbringen? Zwar gibt es ein paar Devisen-Supermärkte, in denen man gegen Kreditkartenzahlung Köstlichkeiten aus aller Welt bekommt. Aber persönlich ist das nicht… und die eigenen von zu Hause mitgebrachten Schokolade-Reserven sind auch längst aufgebraucht…
Es lebe die österreichische Botschaft!
Gott sei Dank haben wir als österreichische Studierende ein Privileg: Wir dürfen den Kurierdienst der österreichischen Botschaft benutzen! Denn während man über den normalen Postweg oft wochenlang wartet, um spät oder nie etwas (vielleicht sogar Beschädigtes) zu bekommen, funktioniert der Botschaftsdienst rasch, unbürokratisch und verlässlich. Einfach hinbringen in Wien und abholen in Moskau. Eine wirklich große Erleichterung für (Liebes)Grüße aus und nach Moskau! Und so werden unsere Eltern angewiesen, Naschereien und ein paar Kleinigkeiten für unsere Freundinnen zu besorgen. Unsere Idee: Halstücher, denn sie sind leicht, gut zu verpacken und als modisches Accessoire aus dem Westen sicher auch geschätzt. Tatsächlich halten wir ein paar Tage später liebevoll ausgesuchte Tücher und heimische Pralinen in den Händen.
Поздравляем с Восьмым марта!
„Wir gratulieren zum 8. März!“ Mit diesen Worten stehen wir schließlich am Tag der Frau vor der Haustür unserer Freundinnen und überreichen unsere Geschenke. Was uns total verblüfft: Die Halstücher in den unterschiedlichen Farben passen haargenau zu der Kleidung, die die jeweils Beschenkte an diesem Tag trägt! Ein Volltreffer, den wir besser nicht hätten landen können, und wir freuen uns mit ihnen. Es folgt ein ausgelassener, fröhlicher Abend, den wir gemeinsam feiern.
Liebe Russen: Bleibt standhaft!
Ja, möge man einwenden, so etwas Verlogenes: Ein Mal im Jahr die Frau hochleben lassen und die anderen 364 Tage muss sie für alle schuften und den Laden schupfen. Kann sein. Aber ich habe es schön gefunden, auch abseits des Geburtstags einmal gefeiert zu werden für das, was ich BIN und nicht für das, was ich TUE.
Deswegen mein Aufruf an alle in Österreich lebenden Russen: Desintegriert euch am 8. März! Tragt diese Tradition hinaus und helft mit, dass sie in Österreich Fuß fassen kann! Viele Frauen werden es euch danken 🙂 Oder…?