Weltflüchtlingstag: Was, wenn wir mit Schuld sind?

Jun 20, 2021Neues aus der (Fach)Welt0 Kommentare

Seit 20 Jahren wird der 20. Juni als Weltflüchtlingstag begangen. Ausgerufen von den Vereinten Nationen, finden weltweit Veranstaltungen, Kampagnen und Aktivitäten statt, um auf die Situation geflüchteter Menschen hinzuweisen aber auch ihren Mut, ihre Stärke und ihre Leistungen vor den Vorhang zu holen.

Der Weltflüchtlingstag 2021 steht ganz im Zeichen der Inklusion: Unter dem Motto „together we heal, learn and shine“ geht es vor allem um die Teilhabe Geflüchteter in Gesundheitssystem, Schule und Sport.

Über 80 Millionen Menschen auf der Flucht

Laut dem aktuellen „Global Trends“ Bericht des UNHCR war Ende 2020 ein Prozent der Weltbevölkerung, nämlich 82,4 Millionen Menschen, auf der Flucht. 11,2 Millionen Menschen waren im letzten Jahr erstmals (oder erneut) zum Verlassen ihres Aufenthaltsortes gezwungen. Knapp 50 Millionen sind Binnenflüchtlinge im eigenen Land, lediglich 4,1 Millionen suchen in einem anderen Land um Asyl an. Unter den Aufnahmeländern führt die Türkei die Statistik an. Der Bericht zeigt auch, dass quer durch alle Altersgruppen Männer wie Frauen (bzw. Buben wie Mädchen) gleichermaßen betroffen sind, 41 Prozent von ihnen sind unter 18 Jahre alt.

Fluchtursachen…

Der Report zeigt auf, dass sich die Dynamiken von Armut, Ernährungsunsicherheit, Klimawandel, Konflikt und Flucht zunehmend gegenseitig beeinflussen und verstärken und immer mehr Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen und woanders Sicherheit und Schutz zu suchen.

… und Fluchtbekämpfung?

Die Antwort der europäischen Flüchtlingspoltik lautet erstens: Grenzen abschotten und zweitens: „Hilfe vor Ort“. Und genau da liegt die Verlogenheit, befindet die soeben publizierte Studie „Das Recht, nicht gehen zu müssen“ der Arbeiterkammer. Denn es ist unsere Produktions- und Lebensweise, die Menschen an anderen Orten der Welt ihrer Lebensgrundlage beraubt und sie zur Flucht zwingt. Anhand zahlreicher Beispiele und Untersuchungen wird verdeutlicht, dass der von den reichen Industrieländern hauptsächlich verursachte Klimawandel und die globale ungerechte Wirtschaftsordnung wesentliche Faktoren im Ursachenbündel für Fluchtbewegungen darstellen. Dass wir also mit Schuld sind und uns nicht aus der Verantwortung stehlen sollten.

Das Recht, nicht gehen zu müssen

Um allen Menschen das Recht zu geben, in ihrer Heimat bleiben und dort leben zu können, müssen die Fluchtursachendebatte neu geführt und Lösungen neu gedacht werden, so die Arbeiterkammer. Und deswegen fordert sie eine faire Handelspolitik, das Verbot von Waffenexporten, eine wirksame Klimapolitik, Lieferkettengesetze zur Sicherung der Menschenrechte und der Umwelt in allen Wertschöpfungsketten und den gemeinsamen Kampf für einen weltweiten sozialen und ökologischen Wandel. Die dazugehörige Broschüre zählt einige Initiativen auf, die man dahingehend unterstützen kann, wie z.B. die europaweite Petition für ein Lieferkettengesetz, die ich bereits in einem anderen Blogbeitrag erwähnt habe.

Screenshot Broschüre https://wien.arbeiterkammer.at/fluchtursachen vom 20.6.21

Eine unbequeme Wahrheit…

… denn sie zwingt uns einerseits, unsere Konsum- und Lebensgewohnheiten zu überdenken (vom Coffe-to-go über die Kleidung, von Mobilität bis hin zum neuesten Technik-Gadget) und andererseits, Solidarität zu zeigen und aktiv für eine Veränderung der Verhältnisse auf der ganzen Welt einzutreten. Und – sind wir bereit dazu?

PS:

Die Europäische Kommission stellt in ihrer Erklärung zum Weltflüchtlingstag mit Stolz die neue Ausschreibung „Leben in Würde“ vor, um mit „neuen Formen der Zusammenarbeit […] die herausforderndsten Vertreibungsszenarien weltweit in den Griff zu bekommen.“ Die ersten 12 Mio. EUR der Anschubfinanzierung von 24 Mio. EUR sollen vorwiegend Regionen in Asien, Lateinamerika und Subsahara-Afrika zugutekommen, Projekt-Einreichungen dazu sind bis 2. August 2021 möglich.

Kingt ja alles gut und schön, aber wenn man bedenkt, dass die EU-Grenzagentur FRONTEX 2021 angeblich ein Jahresbudget von 544 Mio. EUR hat, dann mutet dieser Betrag ja schon fast lächerlich an… oder?

 

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