Einlass. Foto-Ausstellung von Michael Hartl

Apr 14, 2021Bücher und Kunst0 Kommentare

Die alte Autobahnmeisterei Salzburg diente 2015 sieben Monate lang als Zwischenstation für zigtausend Geflüchtete. Bis zu 600 Personen täglich wurden dort auf ihrem Weg versorgt, verpflegt und konnten in der Notschlafstelle übernachten. Die meisten von ihnen reisten nach Deutschland weiter. Im März 2016 wurde das „Camp Asfinag“ wieder geschlossen und stand seitdem leer, bevor die Anlage 2017 abgerissen wurde.

Spurensuche in der Leere

Foto: Michael Hartl

Der Salzburger Fotograf Michael Hartl war ursprünglich auf der Suche nach einer Shooting-Location für ein anderes Projekt. Als er im Zuge dessen die leerstehende Autobahnmeisterei besuchte, war er fasziniert von den vielen kleinen Spuren, die noch immer auf den Alltag im Flüchtlingscamp hindeuteten. So kam ihm die Idee zu einer Fotoserie zur Erinnerung an den humanitären Kraftakt, den die Einsatzorganisationen gemeinsam mit unzähligen Organisationen und ehrenamtlichen Helfer:innen vor fünf Jahren leisteten. Mit seiner Kamera begab er sich auf Spurensuche – oder wie er sagt: auf „Schnitzeljagd“. Das Ergebnis ist bis 1. Juli 2021 in der Stadtgalerie im alten Salzburger Rathaus zu sehen.

Eindrucksvoll und beklemmend zugleich

Knapp 30 Bilder reihen sich im Hochformat in der altehrwürdigen Säulenhalle des Rathauses – in der passenderweise eine Wandtafel der Flucht der Siebenbürger Sachsen und ihrer Aufnahme in Salzburg anno 1944 gedenkt. Die Bilder muten zum Teil absurd an: Türen gehen ins Leere, Wegweiser führen ins Nirgendwo, Tore und Schränke stehen halb offen, ein Wahlscheiben-Telefon hängt einsam an der Wand. Nur hie und da ein übrig gebliebenes Detail des Lagerlebens: Ein Seifenspender, Spielkarten, Beschilderungen. Doch genau in dieser Leere ist Platz für die unzähligen Geschichten und Schicksale, die sich dort abgespielt haben. Der Fotograf wollte bewusst keine Gegenüberstellung mit Personen, die persönliche Erinnerungen an die Begebenheiten haben. Das wäre ihm zu plakativ gewesen, sagt er. So lässt er den Betrachter:innen die Freiheit, in seinen Fotos ihre eigenen Bilder, Assoziationen und Gedanken entstehen zu lassen. Und das wirkt.

Foto: Christian Ecker

Verlorene Orte – Lost Places

Lost Places“ nennt man in der Fotografie die verlassenen Orte, die zum Entdecken und Aufspüren einladen. Es sind geheimnisvolle Orte, die in Vergessenheit geraten sind und oft den Charme des Morbiden widerspiegeln. Industrieruinen, verfallene Ortschaften, einstige militärische Einrichtungen, stillgelegte Verkehrswege – meist sind es Bauwerke und Spuren menschlicher Zivilisation, die die Fotograf:innen in ihren Bann ziehen. Speziell jene, die sich mit Baukunst und Architekturfotografie beschäftigen und gekonnt mit räumlicher Wahrnehmung, Perspektive, Linien, Plastizität, Spiegelungen, Forme, Licht und Schatten spielen. Und so schließt sich der Kreis zu Michael Hartl, der seinen fotografischen Schwerpunkt unter anderem auf Architektur und Interieur legt.

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